Auch wenn Kai unter der Woche fremdplatziert ist, sind seine Eltern an den Wochenenden für das Kindswohl von Kai verantwortlich. Auf der einen Seite haben sie eine Erziehungspflicht, auf der anderen Seite müssen sie aber auch das Selbstbestimmungsrecht von Kai (seinem Alter bzw. Entwicklungsstand entsprechend) respektieren.
So garantiert die Bundesverfassung Kai ein Selbstbestimmungsrecht (Art. 11 Abs. 2 BV), wonach er seine Rechte im Rahmen seiner Urteilsfähigkeit ausüben darf. Ist Kai urteilsfähig (kann er eine Situation und die Folgen eines Entscheides abschätzen), so kann er in bestimmten Bereichen selbstständig, mitunter gar ohne oder gegen den Willen der Eltern handeln (vgl. Art. 19 Abs. 2, Art. 323 ZGB).
Solange Kai aber minderjährig ist, steht er unter der elterlichen Sorge seiner Eltern (Art. 296 ZGB), welche ein Erziehungsrecht bzw. eine Erziehungspflicht haben (vgl. Art. 301 und 333 ZGB). So müssen die Eltern mit Blick auf das Wohl von Kai seine Pflege und Erziehung leiten und – unter Vorbehalt seines Selbstbestimmungsrechts – die nötigen Entscheidungen treffen. Kai schuldet seinen Eltern Gehorsam; die Eltern gewähren Kai die seiner Reife entsprechende Freiheit der Lebensgestaltung und nehmen in wichtigen Angelegenheiten, soweit tunlich, auf seine Meinung Rücksicht.
Ist Kais müder und überdrehter Zustand am Sonntagabend auf seinen übermässigen Internetkonsum oder auf eine allfällige Gamesucht zurückzuführen – allenfalls im Zusammenhang mit dem ADHS –, so sind die Eltern von Kai verpflichtet, diesem Verhalten Einhalt zu gebieten. Denn offensichtlich kann Kai die Folgen seines übermässigen Internetkonsums und Gamens nicht abschätzen oder zumindest sein diesbezügliches Verhalten nicht steuern. Insofern ist es durchaus angezeigt, dass die sozialpädagogische Bezugsperson die Situation mit der Familie Müller bespricht.
Sollten die Eltern keinen Handlungsbedarf sehen oder mit der Situation überfordert sein, kann es sinnvoll sein, die KESB beizuziehen.
Lukus Bürge, Fürsprecher